
Interview mit Reinhard Müller
"Wir machen die Dinge viel zu kompliziert, obwohl sie ganz einfach sind"
2008 hat der Architekt und Unternehmer Reinhard Müller das Gelände rund um den stillgelegten Gasometer erworben, seit 2010 entwickelt er den EUREF-Campus zu einem Modellquartier für die klimaneutrale, ressourcenschonende und intelligente Stadt von morgen. Heute arbeiten an dem Standort in zentraler Berliner Lage rund 7.000 Menschen an den Themen Energie- und Mobilitätswende. Wir sprechen über Grenzen des Machbaren und wie man sie überwindet.
Interview: WeACT Con
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Welche Grenzen mussten Sie beim Aufbau des EUREF-Campus überwinden?
Reinhard Müller: Als ich 2010 mit der Entwicklung des EUREF-Campus anfing, hatte ich immer die Sorge, dass mir das irgendwann alle nachmachen werden. Denn ich habe ja nichts Neues erfunden: Ich habe nur Dinge angewandt, die es schon gab. Und die auch seinerzeit schon wirtschaftlich waren. Wir haben nie Fördergelder beantragt oder erhalten, trotzdem verdienen wir Geld mit unserem Projekt. Niemand hat es uns in dieser Form nachgemacht oder den EUREF-Campus kopiert! Eigentlich komisch.
Und ja, natürlich mussten wir auch Widerstände überwinden. Man könnte fast fragen: Welche nicht? Es gab Herausforderungen rund um den Denkmalschutz, aber auch Bedenken in der Nachbarschaft. Ich habe unsere Idee über Jahre zahlreichen Vertretern der Berliner Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vorgestellt. Alle haben gesagt, dass ich mich an dem Projekt verheben würde. Das sind dieselben Leute, die heute sagen, dass ich das Grundstück damals zu günstig erworben hätte. Typisch Berlin!
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Wie ist es Ihnen gelungen, diese Grenzen zu überwinden?
Man braucht einen starken Willen, eine gewisse Sturheit und Durchsetzungskraft – und auch die finanziellen Möglichkeiten. Meine Frau hat mich damals gefragt: Warum tust du dir das an? Weil regenerative Energie unsere wirtschaftliche Zukunft ist und uns ermöglicht, unabhängig zu werden von den hohen Energiekosten in Deutschland. Leider ist Politik sehr weit weg von dem, was heute schon möglich ist und auch von dem, was einfach umzusetzen wäre. Energiewende findet vor allem auf dem Papier statt und in klugen Reden.
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Was muss passieren, damit wir als Gesellschaft Grenzen für nachhaltige Entwicklung abbauen können?
Wir machen die Dinge viel zu kompliziert, obwohl sie ganz einfach sind. Wir bekommen sie von der Natur angeboten. Beispiel Wärmepumpen: Können Sie mir eine Wärmepumpe erklären? Haben Sie ein Fahrrad? Wenn Sie das Fahrrad aufpumpen, was passiert dann mit dem Ventil? Es wird warm. Denn Sie verdichten Luft, das ist der Trick und so funktioniert auch eine Wärmepumpe: Man macht aus einer Einheit grüner elektrischer Energie ca. 4 Einheiten grüner thermischer Energie. Wir machen darum aber so ein großes Bohei, dass Otto-Normalverbraucher Zweifel kommen. Da sollte es aber gar keine Diskussion geben. Ich kann nur jedem raten, Wärmepumpen zu nutzen, allein wegen der ab 1.1.2027 greifenden CO2-Bepreisung. Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, worauf die Bevölkerung wartet.
Mir ist die Diskussion um die Energiewende ansonsten zu sehr auf die CO2-Emissionen fokussiert. Ich bin skeptisch, dass wir in Deutschland, mit etwa einem Prozent der Weltbevölkerung, die weltweiten Klimaziele entscheidend beeinflussen können. Aber wir können Vorreiter sein, Energiewende könnte zum deutschen Exportschlager werden. Englischsprechende Chinesen reden von der „German Energiewende“. Das ist wie „Kindergarten“, ein deutsches Wort, das in die englische Sprache aufgenommen wurde.
Die Politik und die öffentlichen Medien müssen der Bevölkerung in einfachen Worten erklären, was der Fahrplan ist und wie es funktionieren könnte. Nach dem Prinzip Sendung mit der Maus – und das zur besten Sendezeit. Wir müssen erklären, dass es sich auch wirtschaftlich lohnt. Die Bevölkerung in Deutschland wird erst wirklich wach, wenn es um ihren Geldbeutel geht.
Reinhard Müller ist Gründer des EUREF Campus und heute Mitglied des Vorstandes der EUREF AG
Foto: ©EUREF-AG_Christian-Kruppa